Andacht Heute

Verse, die man gerne weglässt

Wer sein Leben lieb hat, der verliert es; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s bewahren zum ewigen Leben.
Johannes 12,25

Das Evangelium, das an diesem Sonntag, dem Lätare-Fest in der Passionszeit, gelesen wird, endet mit dem Vers 24. Der folgende Vers 25 wird auch in Predigten oft ausgelassen, obwohl er eng mit den vorhergehenden Worten Jesu zusammenhängt. Hier ist vom Leben die Rede, das man verliert, auch von Hass auf das Leben in dieser Welt. Das scheint eine Zumutung zu sein, die man dem modernen Menschen lieber ersparen möchte. Statt ihn zu schonen, sollte man diesen Vers aus dem Munde Jesu nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern ihn als einen Weg begreifen, der uns frei macht.

„Sein Leben hassen“ – das heißt nicht, dass wir uns über nichts mehr in dieser Welt freuen dürfen. Das Leben und auch die Freude ist uns von Gott geschenkt worden. Aber wir sollten uns befreien von der ständigen Sorge, das zu verpassen, was uns die Werbung und die Medien als das große Glück vorgaukeln: Gesundheit, Schönheit, Reiseerlebnisse, Konsum usw. Dieses Glück ist leider sehr unbeständig, wir werden darin nie vollkommene Erfüllung finden. Verständlicher übersetzt lautet Vers 25 daher: Wem sein gegenwärtiges Leben über alles geht, der wird es verlieren. Wer aber sein Leben in dieser Welt loslässt, und wem es nicht mehr alles entscheidend wichtig ist, wie gut es ihm hier auf Erden geht, der wird am Ende ein Leben bekommen, das ewig anhält. Mehr können wir uns wahrlich nicht wünschen.

Auch den nächsten Vers darf man nicht weglassen. Er ist richtungsweisend für jeden Christen:

Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.
Johannes 12, 26

Ein reicher Schatz

Da sagte er zu ihnen: „Dann wisst: Jeder Schriftgelehrte, der in der Schule des Himmelreichs ausgebildet ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Schatz Neues und Altes hervorholt.“
Matthäus 13,52

„Würden Sie die unendliche Güte haben, aus Ihrem reichen Schatz wohltuender Arzneien, mir ein Päckchen Aspirin hervorzuholen und mir zu veräußern.“ So formulierte ein sprachverliebter Studienrat mit viel Ironie seinen Wunsch nach einer Kopfschmerztablette. Als Apotheker musste ich jedes Mal schmunzeln, wenn er sich so in Szene setzte. Es war nicht zu übersehen, dass er mich damit auf die Schippe nehmen wollte. Dennoch blieb bei aller Spöttelei die Feststellung, es mit einem Verwalter eines Arzneischatzes zu tun zu haben.

Der Umgang mit einem Schatz muss von Verantwortungsbewusstsein getragen sein. Für den Apotheker kommt es auf eine gewissenhafte Auswahl eines Medikaments zur Behandlung eines Leidens an. Wenn wir auf das Wort Jesu achten, dann steht auch jeder Schriftgelehrte vor der verantwortungsvollen Aufgabe, aus dem reichen Schatz der Bibel das Richtige für Menschen in Not auszuwählen. Dazu muss er die Heilige Schrift kennen, sie muss ihm vertraut sein. Jesus hat sich an seine Jünger gewandt und sie aufgefordert, ihre Kenntnis des Wortes Gottes weiterzugeben. Diese Zunahme an Wissen kann bei jedem von uns über ein wachsendes Interesse gelingen, durch regelmäßiges Bibellesen, durch Fragen stellen und Antworten finden. Erst dann haben wir einen Schatz vor uns, den wir verwalten und weitergeben dürfen.

Wenn sich das Gewissen meldet

Doch er hatte ein schlechtes Gewissen dabei, und sein Herz klopfte wild.
1. Samuel 24,6

In mir erwacht immer eine gewisse Skepsis, wenn jemand über sein eigenes Handeln oder seine Haltung sagt: „Das hat mir Gott gesagt“. Er drückt damit aus, dass er gar nicht anders konnte, als dieser inneren Stimme Gottes zu folgen. Er weist damit auch jede Verantwortung für sein Handeln von sich, weil sein Gewissen ja ganz von Gott geleitet sei. Ist diese unter Christen weit verbreitete Auffassung richtig?

Offensichtlich hat dieses Konzept eine große Schwäche. Auch ein Verbrecher könnte sich darauf berufen: „Ich habe diesen Menschen getötet, weil Gott gesagt hat, dass dies richtig ist.“ Religiöse Fanatiker rechtfertigen so ihre Untaten. Das große Manko dieses Handels aus vermeintlich bester innerer Überzeugung ist das Ignorieren einer Instanz, die sich auch aus äußerer, gelebter Erfahrung bildet: Es ist das Gewissen, das sich als Unruhe meldet und sich nicht so leicht unterdrücken lässt. Wenn ich spüre, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn ich mich für eine bestimmte Handlung entscheide, dann sollte ich auf dieses Gewissen hören. Wir Menschen sind in allem, was wir tun, von der Sünde bedroht. Das Gewissen ist ein Warnsignal, das uns darauf aufmerksam macht, wenn wir uns zu etwas hinreißen lassen, was nicht im Sinne Gottes ist. Die Entscheidung müssen wir aber in jedem Fall selbst treffen, denn Gott hat uns so geschaffen, dass wir in der Lage sind, eine Situation zu beurteilen. Dabei müssen wir uns allerdings von einem autoritär verankerten Schuldbewusstsein befreien, also ständig die Angst zu haben, etwas falsch zu machen. Wenn wir uns von Menschen ungeliebt fühlen, dann tun wir immer nur das, was äußere Instanzen von uns verlangen. Das wäre das genaue Gegenteil von Freiheit und Verantwortungsbewusstsein. Vergessen wir nicht, wie zart wir in jedem Augenblick in die Liebe Gottes eingewoben sind. Das macht uns die Entscheidungsfindung leichter.