Andacht Heute

Was versteht man unter Parallelismus?

Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich ein Mann wurde, tat ich weg, was kindlich war.
Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin.

1. Korinther 13,11-12

    In der Bibel kommt sehr häufig ein Gestaltungselement vor, das als „Parallelismus“ bezeichnet wird. Im weiteren Sinne versteht man darunter ein „strukturelles Kompositionselement in Dichtungen, die Wiederholung gleichrangiger Teile (vgl. z.B. im Märchen die dreimalige Wiederholung von Wünschen, Aufgaben, Begegnungen, Träumen […])“. [gefunden im Metzler Literaturlexikon, hier wird auch diese Stelle aus dem Korintherbrief als Beispiel verwendet].

    Im ersten Vers wird eine Art Coming to Age-Geschichte (Geschichte vom Erwachsenwerden) erzählt. Diese korrespondiert mit dem Erkenntnisprozess im nächsten Vers. Durch die Parallelität der Erzählungen wird deutlich, dass aus unserem bruchstückhaften Erkennen der volle Durchblick kommt, wenn wir erkennen, dass wir (man beachte den Wechsel vom Aktiv zum Passiv) immer schon von Gott wahrgenommen werden und ganz auf seine Gnade angewiesen sind. Darin drückt sich wiederum der Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden aus.

    Jesus selbst hat dieses Stilmittel des Parallelismus in seinen Gleichnissen verwendet. In ähnlicher Weise benutzte er Metaphern und Vergleiche, Paradoxien, Personifikationen und Wiederholungen für seine Botschaften. Auch in unseren alltäglichen Gesprächen verwenden wir meist unbewusst den Parallelismus, wenn uns zu einer Erzählung unseres Gesprächspartners eine vergleichbare Geschichte einfällt. Nur selten wird dabei ein übergeordneter Gedanke formuliert, der das Geschehen auf eine höhere Ebene stellt. Ein gläubiger Mensch kommt allerdings viel eher zu solchen übergeordneten Einsichten in der Beurteilung alltäglicher Begebenheiten. Womit wir wieder parallelisierend bei der Erkenntnis aus den Korintherversen gelandet sind.

    Kluge Worte und echter Glaube

    Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, eine Überzeugung von Tatsachen, die man nicht sieht.
    Hebräer 11,1

    Die Frühaufklärer hatten in ihrer optimistischen Sicht der Dinge geglaubt, dass man das Wirken Gottes in der Natur erfahren könne, ja erfahren müsse. Der Dichter Barthold Hinrich Brockes (1680-1747) drückte es so aus: „Willst du Mensch, da Gott zu Ehren Alles tönet und schallet und spricht; tauben Ohren gleich nicht hören?“ Am Ende des 18. Jahrhunderts stellte Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ dagegen die These auf, dass es keinen schlüssigen Gottesbeweis geben könne, weil menschliche Vernunft und Erfahrung zu begrenzt sind. Alle traditionellen Gottesbeweise seien nicht haltbar. Wohlgemerkt: Kant sprach sich nicht gegen den Glauben aus, sondern betonte, dass sich dieser aus einem praktischen Vernunftgebrauch heraus moralisch begründen ließe. Die Annahme der Existenz Gottes sei so gesehen eine notwendige Voraussetzung für die sittliche Ordnung der Welt.

    Kants Worte haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Atheisten berufen sich bis heute auf sie. Ergänzt wurden sie von Karl Marx mit seinem berühmten Spruch: „Religion ist das Opium des Volkes“. In beiden Fällen dient die Religion einem Zweck, einmal der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, das andere Mal durch Selbsttäuschung der Arbeiterklasse ihren Ausbeutern.

    Es ist leider ein großes Missverständnis, wenn Religion mit dem Glauben an Gott gleichgesetzt wird. Religion ist ein strukturiertes System von Überzeugungen, Praktiken und Ritualen, die von einer Gemeinschaft geteilt werden. Der Glaube an Gott ist dagegen die persönliche Überzeugung oder das Vertrauen in seine Existenz. Dieser Glaube ist unabhängig von einer organisierten Religion. Halten wir daran fest, auch wenn kluge Menschen ihn erschüttern wollen.

    Betet aber im festen Vertrauen und zweifelt nicht; denn wer zweifelt, gleicht den Wellen im Meer, die vom Sturm hin- und hergetrieben werden.
    Jakobus 1,6

    Die christlichen Werte

    Tut nichts aus Selbstsucht oder nichtigem Ehrgeiz, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst.
    Philipper 2,3

    Es ist sicher nicht anmaßend zu sagen, dass christliche Werte unsere Gesellschaft positiv geprägt haben. Demut, wie sie im Christentum gelehrt wird, betont Bescheidenheit, Selbstverleugnung und Unterordnung unter Gott. Diese Haltung wurde im antiken, heidnischen Griechenland als Schwäche oder Mangel an Selbstachtung angesehen. In einer Gesellschaft, die auf Wettbewerb und persönlichem Ruhm beruhte, schien die christliche Demut mit den vorherrschenden kulturellen Normen und Werten unvereinbar. Auch in unserer Zeit ist Egoismus eine weit verbreitete Haltung. Ein egoistischer Mensch handelt oft so, dass er selbst den größten Nutzen oder Vorteil daraus zieht, ohne Rücksicht auf die Auswirkungen seines Handelns auf andere.

    Wer sich die Worte des Paulus zu Herzen nimmt, stellt die Bedürfnisse und das Wohl anderer über die eigenen Interessen. Dies kann sich in der Bereitschaft zeigen, großzügig mit Zeit, Geld und Ressourcen umzugehen, um anderen zu helfen. Freiwillige, unbezahlte Arbeit kann das Leben anderer verbessern. Die Liebe zum Nächsten sollte auch darin bestehen, anderen Menschen christliche Werte zu vermitteln, damit sie erkennen, was Jesus Christus für sie getan hat, und dann bereit sind, sich zu bekehren.

    Jeder soll auch auf das Wohl der anderen bedacht sein, nicht nur auf das eigene Wohl. Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns vorgelebt hat.
    Philipper 2,4-5