Andacht Heute

Menschliche und göttliche Vernunft

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.
Philipper 4,7

Es steht außer Frage, dass die evidenzbasierte Wissenschaft für den Fortschritt in der Welt verantwortlich ist. In ihr werden Hypothesen aufgestellt. Diese bleiben nicht im Raum stehen, sondern sie müssen überprüft werden, und wenn nötig, korrigiert oder widerlegt werden. Karl Popper zufolge ist die Wissenschaft eine ständige Suchbewegung zur Verbesserung von Erkenntnissen. Es handelt sich um einen offenen, dynamischen Prozess, der durch Versuch und Irrtum voranschreitet.

Unbestritten ist, dass die Wissenschaft die beste Methodik zur Erklärung weltlicher Phänomene ist. Die menschliche Vernunft ist jedoch ungeeignet, um zu Erkenntnissen über Gott zu gelangen. Das gilt für seine Existenz, für Wunder und für den uns geschenkten Erlösungsweg. Hier hilft uns nur der Glaube. Wenn es um die Selbstoffenbarung Gottes durch sein Wort in der Bibel geht, ist unsere Vernunft allenfalls eine Hilfe. Sie übersetzt und interpretiert das Wort der Bibel und macht es für die Lesenden verständlich. Dabei müssen wir jedoch immer den fundamentalen Unterschied zwischen menschlicher und göttlicher Vernunft beachten. Nur Gott schenkt unseren Herzen Frieden. Und dieser Friede ist nicht abstrakt, sondern in Jesus Christus konkret verankert. Verstehen wir den Vers als Einladung, unser Leben nicht von Angst, sondern von der Gewissheit bestimmen zu lassen, dass Gott gegenwärtig ist und uns trägt.

Habe Mut

Prüfet alles, das Gute behaltet.
1. Thessalonicher 5,21

Die Formel Kants „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen”, die auch als Kurzformel der Aufklärung verwendet wird, steht nicht im Widerspruch zum christlichen Glauben. Kant ruft dazu auf, selbstständig zu denken und sich nicht blind auf Autoritäten (Kirche, Staat, Tradition) zu verlassen. Ihm ging es um Mündigkeit: Der Mensch soll sich aus „selbstverschuldeter Unmündigkeit“ befreien und kritisch prüfen, was ihm vorgegeben wird. Kant war kein Atheist. Er sah im Glauben an Gott eine praktische Notwendigkeit, um die von ihm ersehnte Einheit von Tugend und Glückseligkeit – das für ihn „höchste Gut“ – zu denken. Er kritisierte Dogmatismus und kirchliche Bevormundung, hielt aber an der Idee fest, dass Gott als moralischer Weltenlenker notwendig gedacht werden müsse. Seine eingangs erwähnte Formel ist also kein Freibrief zur Gottesablehnung, sondern ein Aufruf zur Selbstprüfung. Darin stimmt er mit Paulus im Thessalonicherbrief überein.

Wir sollen das Geschenk unseres Verstandes nutzen, um alles zu prüfen, was wir hören und sehen. Auch die Worte der Bibel dürfen wir mit kritischem Verstand prüfen. Sie werden dieser Prüfung standhalten, da sie von einem wesentlich höheren Verstand als dem unseren stammen. Es geht jedoch mehr darum, wie Menschen mit den Worten der Heiligen Schrift umgegangen sind und was sie durch Übersetzung und Auslegung daraus gemacht haben. Hier ist es sogar notwendig, unseren kritischen Verstand einzuschalten, um nicht auf manche Fehlinterpretation hereinzufallen. Kant sagt, dass wir dafür auch Mut brauchen. Aber wir sollten uns vor dieser Anstrengung des Denkens nicht drücken.

Führung und Freiheit

Ich will die Blinden auf einem Weg führen, den sie nicht kennen, und auf Pfaden leiten, die ihnen unbekannt sind.
Jesaja 42,16

Wenn ich diesen Vers als eine Aufforderung sehe, mich in allen Situationen des Lebens immer von Gott führen zu lassen, statt eigene Wege zu gehen, ist dieser Vers dann als Einengung meiner Freiheit zu betrachten? Habe ich dann überhaupt noch einen Raum für eigene Entscheidungen?

Kürzlich bin ich mit dem Auto eine Strecke gefahren, die ich eigentlich kenne. Dennoch habe ich das Navi benutzt, da es auf aktuelle Verkehrsbehinderungen reagiert. Das war nicht der Fall, aber das Navi hat mir dennoch eine Alternative angeboten, der ich gefolgt bin. Ich bin von meiner gewohnten Route abgewichen und siehe da: Diese Strecke hatte einige kleine Vorteile zu bieten. In Zukunft werde ich sie gegenüber meiner gewohnten Route bevorzugen.

Nun fragt man sich vielleicht, was mein Navi im Auto mit Gott zu tun hat. Weil ich dieses Beispiel aus dem täglichen Straßenverkehr verwendet habe, will ich darauf verweisen, dass mir dadurch neue Wege eröffnet werden. Dadurch werde ich keinesfalls in meinen Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt. Auch bei Gott ist dies nicht der Fall. Er kann mir noch viel bessere Wege zeigen als ein modernes Navi. Diese Wege führen mich aus meiner Blindheit, meinem Verhaftetsein in alten Gewohnheiten, meiner Sturheit und meiner Besserwisserei heraus. Wenn ich mich an Gott halte, werde ich nicht unfrei. Es ist ein Angebot für uns. In der Bibel wird an vielen Stellen betont, dass der Mensch die Wahl hat, Gottes Führung anzunehmen oder eigene Wege zu gehen. Anstatt eine Begrenzung zu sein, eröffnet Gottes Führung neue Horizonte. Als „Blinder“ sehe ich plötzlich Wege, die ich vorher nicht kannte. Das ist eine Erweiterung der Freiheit, weil ich nicht mehr nur auf meine eigenen, begrenzten Möglichkeiten angewiesen bin. Es ist also eine Einladung zur Freiheit in einer tieferen Dimension: Freiheit von Blindheit, Angst und Orientierungslosigkeit.