Andacht Heute

Vermeidung von Schwarzweiß-Denken

Nicht mehr ich bin es, der lebt, nein, Christus lebt in mir. Und solange ich noch dieses irdische Leben habe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mir seine Liebe erwiesen und sich selbst für mich hingegeben hat.
Galater 2,20

Wie oft liest man, dass man ein völlig neuer Mensch ist, wenn man gläubig geworden ist. Von einem Heilungswunder ist die Rede: Neid, Ärger, Zorn, Ungeduld, Lieblosigkeit und Selbstbeschäftigung würden ein für allemal aus dem Leben eines Bekehrten verschwinden. Im Umkehrschluss heißt das: Falls all dies nicht mit einem Schlag eintritt, ist man nicht bekehrt. Was wäre es für eine furchtbare Erkenntnis, wenn wir in dieser Weise frustriert auf unser aktuelles Leben blicken würden. Leider ist nicht immer alles von Liebe, Freundlichkeit und Güte geprägt. Bei mir jedenfalls nicht. Es bringt niemanden weiter, sich selbst etwas vorzumachen.

Die Frage ist, was uns aus diesem offensichtlichen Dilemma herausführt. Noch im Barock dominierte das Denken in klaren Dualismen, also in Leitdifferenzen wie „wahr und falsch“. Das Denken in Gegensätzen kann prinzipiell ein gangbarer Weg zur Erkenntnis sein, wenn man sich seiner Grenzen bewusst ist. Geistesgeschichtlich hat sich seit dem Barock viel verändert. Man hat erkannt, dass sich die Welt nicht immer in ein reines Schwarz und ein reines Weiß einteilen lässt. Es gibt eine Menge Zwischentöne, sich prozesshaft Widerstreitendes und kaum endgültig starre Fronten. So gibt es wohl auch in uns dieses Spannungsfeld zwischen dem alten und dem neuen Menschen, zwischen unserem triebhaften Wesen und dem Geist Gottes, zwischen edlem Wollen und dem Rückfall in bekannte Schwächen. Wie wäre es, wenn wir einmal dankbar wären, dass wir überhaupt in diese Situation gekommen sind, anstatt uns darüber zu beklagen? Das Leben ohne Jesus war nichts anderes als ein zweifelhafter Friede, eingehüllt in Selbstzufriedenheit. Wir dachten, wir seien gute Menschen, aber wir waren es nicht. Das wissen wir heute, nachdem wir uns bekehrt haben und Jesus unser Vorbild ist. In uns findet ein Kampf statt, den wir mit Hilfe des Heiligen Geistes zu unserem Wohle bestehen können. Wir sind alle Sünder und dürfen froh und dankbar sein, dass Gott uns trotzdem liebt.

Wenn Gegenwind kommt

Wenn ihr also mit unermüdlichem Eifer das tut, was gut und richtig ist, kann euch dann überhaupt jemand etwas Böses antun? Und solltet ihr trotzdem leiden müssen – gerade weil ihr euch nach Gottes Willen richtet –, dann seid ihr glücklich zu preisen. Habt keine Angst vor denen, die sich gegen euch stellen, und lasst euch nicht einschüchtern! Ehrt vielmehr Christus, den Herrn, indem ihr ihm von ganzem Herzen vertraut. Und seid jederzeit bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch auffordert, Auskunft über die Hoffnung zu geben, die euch erfüllt.
1. Petrus 3,13-15

Ich habe nicht nur einen Vers (wie in der heutigen Herrnhuter Tageslosung), sondern den ganzen Abschnitt aus dem Brief des Petrus zitiert, weil er so einfühlsam erklärt, wie wir uns verhalten sollen, wenn unser Tun inmitten der ungläubigen Umwelt Anstoß erregt. Glücklicherweise werden wir in unserem Land noch keine Gefahr für Leib und Leben heraufbeschwören – auch wenn Anschläge auf Christen weltweit zunehmen – , aber es kann z.B. vorkommen, dass uns offen gesagt wird, wir sollten mit unserem „frommen Gerede“ aufhören. Das kann bis zum Hass gegen uns ausarten, wenn die Menschen kein Ohr für die Wahrheit haben. Damit muss jeder rechnen, der zu Jesus steht und sich zu IHM bekennt. Allerdings rät uns Petrus, dabei nicht rücksichtslos und grob vorzugehen:

Aber tut es freundlich und mit dem gebotenen Respekt, immer darauf bedacht, ein gutes Gewissen zu haben. Denn wenn ihr ein vorbildliches Leben führt, wie es eurer Zugehörigkeit zu Christus entspricht, werden die, die euch verleumden, beschämt dastehen, weil ihre Anschuldigungen sich als haltlos erweisen. Und sollte es Gottes Wille sein, dass jemand leiden muss, weil er Gutes tut, dann ist das auf jeden Fall besser, als wenn er leiden muss, weil er Böses tut.
1. Petrus 3,16-17

Das Insiderwissen weitergeben

Meint ihr, es gefällt mir, wenn ein Gottloser stirbt?“, sagt Jahwe, der Herr. „Nein, ich freue mich, wenn er sein Leben ändert und am Leben bleibt.
Hesekiel 18,23

Er will ja, dass alle Menschen gerettet werden, indem sie die Wahrheit erkennen.
1. Timotheus 2,4

Zweifellos will Gott, dass möglichst alle Menschen gerettet werden und das ewige Leben erlangen. Der Timotheusvers zeigt in aller Kürze und Klarheit, was dazu nötig ist. Wer gerettet werden will, muss zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Dazu ist es notwendig zu verstehen, wer Jesus ist und was er für uns getan hat. Daraus folgt aber auch, dass alle, die das für sich erkannt haben, diese Wahrheit nicht nur für sich behalten wollen und sich nicht wie so mancher Musterschüler verhalten („Ich weiß etwas, was ihr nicht wisst.“) Wir dürfen dieses Wissen nicht zurückhalten. Im Gegenteil, wir sollten nach Wegen suchen, es unter die Leute zu bringen.

Dazu lese ich gerade das Buch von Jim Petersen und Mike Shamy „Der Insider“, erschienen im CLV-Verlag. Darin geht es um „Evangelisation durch Beziehungen“. Wir sollten uns bewusst als Insider verstehen, also als Eingeweihte, Wissensträger und Zugehörige (zum Reich Gottes), aber nicht als Geheimnisträger, die sich nur unter sich austauschen und sich überheblich vom Rest der Menschheit abgrenzen wollen. Wenn wir die Evangelisierung nicht optimal betreiben, hat das meist weniger mit Elitedenken zu tun als mit Phlegma, Bequemlichkeit und Mutlosigkeit. Wir sollten aber danach Ausschau halten, wie wir Gott dienen können.