Andacht Heute

Gleich freuen, statt spekulieren

Der Herr ist nahe.
Philipper 4,5

Das griechische engys kann in diesem Vers mit räumlich „nah“ oder zeitlich „bald“ übersetzt werden. Es darf uns daher nicht verwundern, dass es einmal – wie hier von Ulrich Wößner – als „Der Herr ist nahe“ (Präposition des Raumes), und ein andermal als „Der Herr kommt bald“ (Präposition der Zeit), aufgefasst wird. Nun könnte man fragen: Ist das nicht egal? Hauptsache, wir verstehen, dass sich für jeden Gläubigen die Frage stellt, wie er mit seinem Wissen um Jesus umgeht? Das ist richtig, aber die einseitige Fixierung auf die zeitliche Wiederkunft unseres Erlösers hat zu manchen Verzerrungen geführt. Die ersten Christen glaubten noch, dass Jesus zu ihren Lebzeiten wiederkommen würde, was bekanntlich nicht der Fall war. In der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Vorhersagen über das Ende der Welt, etwa von William Miller für das Jahr 1844 oder von den Zeugen Jehovas für 1975 die sich nicht erfüllt haben. Doch Matthäus 24,36 ist eindeutig: Von jenem Tag aber und von jener Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.

Statt sich in Spekulationen über den Zeitpunkt der Wiederkunft Jesu zu ergehen, ist es viel sinnvoller, sich seine räumliche oder geistige Nähe für uns, die wir an ihn glauben, vorzustellen. Dann stellt sich die Freude nämlich sofort ein, von der Paulus im Philipperbrief spricht:

4 Freut euch immer im Herrn!
Noch einmal will ich sagen: Freut euch!
5 Eure entgegenkommende Art soll allen Menschen bekannt sein!
Der Herr ist nahe.
6 Macht euch um nichts Sorgen,
sondern in allen Dingen sollen durch Beten und Bitten mit Danken
eure Anliegen bei Gott bekannt werden!
7 Und der Friede Gottes, der jeden Verstand übersteigt,
wird eure Herzen und eure Gedanken behüten im Messias Jesus.

Nur Worte des Trostes für das Leid?

Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden.
Matthäus 6,10

Heute habe ich gelesen, dass man den Satz vom Willen Gottes nicht einseitig auf unsere Einstellung zu allem, was uns im Leben widerfährt, beziehen darf. Bisher habe ich ihn hauptsächlich auf das Leid bezogen, das uns auferlegt wird und das wir ertragen müssen. In diesem Zusammenhang kommen uns vielleicht auch die Worte Jesu in Gethsemane in den Sinn (Lk 22,42): „Vater, nimm diesen Kelch von mir. Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Bedeuten diese Worte aus dem Vaterunser, dass wir uns demütig in unser Schicksal fügen sollen, dass wir es mit einem Gott zu tun haben, der unseren Eigenwillen in die Knie zwingen will?

Da ist es gut, auch andere Stellen in der Bibel zu lesen, etwa Johannes 18,11, wo Jesus den Petrus, der einen Soldaten mit dem Schwert schlägt, entschieden zurückweist: „Soll ich nicht den Kelch trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ Daran erkennen wir, dass Jesus am Ende das bevorstehende Leiden nicht passiv hingenommen, sondern aktiv bejaht und auf sich genommen hat, um sein Erlösungswerk zu vollenden, das in der barmherzigen Liebe zu den Seinen gründet. Deshalb sollten wir auch das Vaterunser an dieser Stelle nicht als Aufforderung verstehen, unsere Schicksalsergebenheit und unseren Hang zur Gesetzlichkeit zu intensivieren, sondern als Bitte an Gott, dass sein Reich wirklich bald für alle sichtbar kommen möge. Wir wissen, dass es in Verbindung mit unserem Glauben bereits im Werden ist. Mit den Worten des Vaterunsers bringen wir zum Ausdruck, dass es gelingen möge, wenn Gottes Wille sich durchsetzt und wir in aller Demut mithelfen dürfen. Der Wille Gottes ist keine bittere Medizin, die wir schlucken müssen, weil ein strenger Arzt es von uns verlangt, sondern er ist der süße Saft des Lebens, der uns große Freude bereitet und uns einen Vorgeschmack gibt auf die ewige, himmlische Gemeinschaft.

„Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe.“
Johannes 4,34

Grausame Stellen in der Bibel

HERR, vergiss den Edomitern nie, was sie am Unglückstag Jerusalems getan haben, als sie riefen: »Reißt die Stadt nieder, reißt sie nieder bis auf den Grund!«
Du Stadt Babylon, die du einst verwüstet sein wirst – wohl dem, der dir einmal vergelten wird, was du uns angetan hast!
Wohl dem, der deine Kinder packt und sie am Felsen zerschmettert!

Psalm 137,7-9

Kritiker der Bibel greifen gerne auf solche grausamen Stellen zurück, um die angeblich menschenfeindliche Haltung der Bibel zu belegen. Dasselbe gilt für diejenigen, die von den zahlreichen Aufforderungen des Propheten im Koran zur Vernichtung der Ungläubigen ablenken wollen. Natürlich bleibt die Frage, warum einige dieser grausamen Passagen im Alten Testament stehen.

Sie müssen, wie andere auch, im Zusammenhang gesehen werden. In Psalm 137 befanden sich die Israeliten in einer verzweifelten Lage. Jerusalem war erobert, die Tempel zerstört und die führenden Männer verschleppt worden. In dieser verzweifelten Lage riefen sie zu Gott und flehten ihn an, die Babylonier für das erlittene bittere Unrecht zu bestrafen. Wohlgemerkt: Es ist nicht Gott, der diese Worte ausspricht oder aussprechen lässt, es sind Menschen in einer schrecklichen Situation, die das tun. Darum braucht man sich als Christ auch nicht dieser Passagen zu schämen und sie in Übersetzungen leichter verdaulich zu machen – oder gar die Bibel in Frage zu stellen. Im Neuen Testament ist es Jesus, der uns mahnt, auch bei erlittenem Unrecht den Weg der Vergebung zu gehen und darauf zu vertrauen, dass die Mächte des Bösen am Ende besiegt werden. Aber auch in den Evangelien findet sich die Stelle, an der Jesus sein Leid klagend ausdrückt und ausruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Auch der gequälte Psalmist im obigen Beispiel hofft, dass er sich nicht selbst an seinen Feinden rächen muss, sondern dass der allmächtige Gott die Rechtsordnung wiederherstellt. ER wird für Gerechtigkeit sorgen, wir sollen ihm vertrauen und seinen Willen tun, so wie Jesus es am Kreuz getan hat.

So fürchte dich nicht, ich bin bei dir; weiche nicht erschrocken zurück, denn ich bin dein Gott; ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich fest durch meine gerechte Hand.
Jesaja 41,10