Andacht Heute

Was für ein langer Psalm!

Ach, dass ich doch beständig die Wege gehen möge, auf denen ich deine Bestimmungen einhalte!
Psalm 119,5

Dieser längste Psalm stellt eine gewisse Herausforderung dar, weil er unsere Geduld auf die Probe stellt. Beim ersten Lesen fragt man sich vielleicht, warum der Verfasser des Textes in einer Art Dauerschleife immer wieder Klagen und Bitten aneinander reiht. Wir sind es heute gewohnt, ja wir verlangen es sogar, dass man sich kurz fasst und möglichst schnell zur Sache kommt. So mag es verwundern, dass der große Prediger Spurgeon sogar empfahl, diesen Psalm auswendig zu lernen, weil man auf diese Weise den größten Nutzen aus ihm ziehen könne. Auch wenn uns das heute schwer fallen mag, sollten wir seine Worte ernst nehmen, wenn er sagt: „Es mag dem oberflächlichen Leser so erscheinen, als sei der Psalm nur auf einen Ton gestimmt und lasse diesen in endloser Wiederholung erklingen, aber eine solche Meinung zeugt von wenig Tiefe des Verständnisses. Wer sich in diesen heiligen Gesang vertieft, wer ihn sorgfältig Zeile für Zeile nicht nur überfliegt, nein, durch und durch liest, der muss staunen über diesen Reichtum an Weisheit und Erkenntnis“.

Beim genaueren Hinsehen, erkennt man, wie der Psalmist seine Liebe zum Gesetz und seinen Wunsch, ihm zu gehorchen, in vielen, ganz unterschiedlichen Gedankenverbindungen ausdrückt. Er ist auch immer ehrlich genug, sich einzugestehen, dass er dabei so oft versagt. Darin liegt indirekt auch der Hinweis auf das Neue Testament. Wie froh können wir sein, dass der Sohn Gottes für unsere Sünden gestorben ist und jeden erlöst, der zur Umkehr bereit ist.

Tut nun Buße und bekehrt euch, dass eure Sünden getilgt werden.
Apostelgeschichte 3,19

Liebe auf Kommando?

Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen sein. Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen, und du sollst davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst.
5. Mose 6,5-7

Diese Worte von Mose klingen, mit ensprechendem Impetus vorgetragen, wie ein Befehl. Man kann sich viele Befehle vorstellen, aber einen Befehl zur Liebe? Vielleicht sind diese Worte eher wie eine gütige, hilfreiche Ermahnung gemeint, mal innezugehen und zu erkennen, was wir alles unserem Herrn zu verdanken haben. Versuche mal, diese Verse in dieser liebevollen Weise zu lesen. Du wirst sehen, dann klingen sie plötzlich ganz anders.

Ich habe mich erinnert, dass ich in einer früheren Andacht, das Thema behandelt habe, warum manche Prediger immer so poltern müssen, wenn sie von Liebe reden. Wer möchte, kann sie hier nachlesen.

Lob für das Unauffällige

Gott ist es, von dem alles kommt, durch den alles besteht und in dem alles sein Ziel hat. Ihm gebührt die Ehre für immer und ewig. Amen.
Römer 11,36

Barthold Heinrich Brockes (1680-1747) war ein Dichter, der mit Jubel die Schönheit der Natur beschrieb, die für ihn Mittler zwischen Mensch und Gott war. Dabei hatte er gerade auch einen Blick für das Unscheinbare, wie er es in seinem Gedicht „Die kleine Fliege“ beschreibt. Auch in „Die Heide“ sah er das Wirken Gottes in der norddeutschen Landschaft zu einer Jahreszeit, da sie nicht mehr in voller Blüte steht:

Es zeigt so gar die dürre Heide,
Zu unsrer nicht geringen Freude,
Wenn man sie recht genau betracht,
Des großen Schöpfers Wunder-Macht.

Wenn ich an diesen grauen letzten Novembertagen aus dem Fenster schaue, erscheint mir die Landschaft nach einem prächtigen Sommer und einem goldenen Herbst wie ein abdekorierter Festsaal. Jetzt ist es da draußen feucht, nebelverhangen und kalt. Die Natur ist eher abweisend und hat scheinbar nichts zu bieten, worüber man sich freuen könnte. Aber Gott hat auch diese stille Zeit vor dem Weihnachtsfest für uns geschaffen, damit wir zur Ruhe kommen und ihm für das Unscheinbare in der Natur und in unserem Leben danken können.