Andacht Heute

Wenn Jesus in uns lebt

Paulus schreibt: Ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.
Galater 2,20

In diesen Andachten zu Bibeltexten, die aus den täglichen Losungen der Herrnhuter Brüdergemeinde stammen, ist es mir ein Anliegen, darauf hinzuweisen, Sätze nicht isoliert zu betrachten, sondern sie im jeweiligen Kontext zu verstehen. Das ist fast immer notwendig, auch heute ist das so.

Der Brief von Paulus an die Galater gehört zu den eher kurzen Briefen. Gerade in ihm erklärt der Apostel die Lehre der Rechtfertigung allein durch den Glauben in äußerst konzentrierter Form. Das Gesetz, die Zehn Gebote, besteht nach wie vor als Richtschnur für unser Handeln. Wer aber der Meinung ist, unser ständiges Bemühen, es einzuhalten und nicht dagegen zu verstoßen, würde genügen, um vor Gott bestehen zu können und von IHM gerechtfertigt zu werden, der irrt sich. Kein Mensch kann das Gesetz ganz erfüllen, das konnte nur Jesus allein. ER ist für uns gestorben und hat uns von der Sünde befreit. Der (verkürzte) Text wird in der Schlachter-Bibel so übersetzt:

Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.
Galater 2,20

Wenn Paulus sagt, dass er nicht mehr selbst lebt, bedeutet dies nicht, dass er seine Individualität ganz unterdrückt oder aufgegeben hat. Er hat sich nicht völlig vergeistigt, sondern lebt noch im Fleisch. Allerdings, und das ist das Entscheidende, er lebt jetzt im Glauben an Jesus und ist IHM deshalb ganz nahe. Wir können uns das anhand eines praktischen Beispiels vorstellen. Wenn wir vor einer Versuchung stehen, dann können wir uns sagen: „Ich muss das Gesetz erfüllen und mich zusammenreißen.“ Jesus hat uns einen anderen Weg gezeigt. Wir sollten auf IHN blicken, dann wird uns ein anderer Charakter geschenkt, weil uns eine tief empfundene Gemeinschaft mit unserem Erlöser stark macht. Das Böse verliert nach und nach seine Macht über uns.

Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
2. Korinther 5,17

Die Gültigkeit des Missionsbefehls

So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Weltzeit! Amen.
Matthäus 28,19-20

Jesus hat hier seinen Auftrag an die Jünger formuliert. Sie sollen ihr weiteres Leben der Mission aller Völker widmen. In diesem Tun ist ER bei ihnen. Es wäre also nicht im SEINEM Sinne, wenn sich die Apostel nur still freuen würden und selbstzufrieden wären. Jesus begleitet sie in ihrer Praxis. Hier findet sich eine Absage an alle Mystik, einer Form der Religiosität, bei der ein Mensch allein durch Versenkung und Askese eine Verbindung mit Gott sucht, der Mitmensch aber nicht beachtet wird. Der Missionsbefehl durch Jesus steht aber im Vordergrund. Er gilt allen Christen, die in SEINE Nachfolge treten und er gilt nach wie vor, auch wenn mittlerweile auch in kirchlichen Kreisen Kritik laut wird an der christlichen Praxis, Menschen missionieren zu wollen.

Ich habe ein Gerichtsurteil aus dem Jahre 2020 gefunden, bei dem Asylbewerbern ihr Schutzstatus wieder zuerkannt wurde, weil sie sich nachweislich zum Christentum bekehrt hätten. Das Gericht stellte fest, dass es sich bei den Klägern um echte Bekehrte handelte und sie sich nicht aus asyltaktischen Gründen dem Christentum zugewandt hätten. Dazu hieß es in der Begründung u. a.:
„Besonders zu erwähnen ist in dem Zusammenhang, dass die Kläger ihren Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin leben, sondern dass sie sich auch für ihren Glauben engagieren. Die Klägerin erklärte, dass sie schon andere Personen missioniert habe.“
Ich meine, es ist schon beachtenswert, wenn ein weltliches Gericht echtes, engagiertes Christsein mit der Bereitschaft zu missionarischen Handeln begründet.

Ein beeindruckender Zeuge

Paulus sagt: Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge.
Apostelgeschichte 26,22

Paulus richtete diese Worte zu seiner Verteidigung an den König Agrippa, der ihn gefangen hielt. Sie machten durchaus Eindruck auf ihn.

Wenn die christliche Botschaft mit solcher Überzeugung wie von Paulus vorgetragen wird, dann hat das eine große Kraft. Agrippa war hin- und hergerissen in seinem Urteil. Einerseits hielt er diesen Mann für einen verrückten Fanatiker. Andererseits war er beeindruckt von dessen Standhaftigkeit, weil er auch angesichts der Gefahr weiterer Gefangenschaft und sogar der Hinrichtung nicht davon abließ, seinen Glauben zu bezeugen.

Da sagte Agrippa zu Paulus: Es fehlt nicht viel, und du überredest mich, dass ich ein Christ werde!
Apostelgeschichte 26,28

Am Ende wurde der Apostel freigelassen, und er konnte zu seiner vierten Missionsreise nach Italien aufbrechen.

Wenn wir heute diesen Bericht lesen, dann wirkt das alles sehr überzeugend. Paulus hatte sein Damaskuserlebnis, er wandelte sich vom Christenverfolger zum Missionar. Wer die Apostelgeschichte liest, der muss beeindruckt sein, wie konsequent Paulus seinen Dienst verrichtet hat. Bei ihm ist keine Spur von Zweifel und Zaudern erkennbar. Wer so auftritt, kann auch Menschen zum Nachdenken bringen, die dem Glauben skeptisch gegenüberstehen. Dennoch war sich Paulus dessen tief bewusst, dass er die Kraft für seinen Dienst ganz allein von Gott erhalten hatte.

Und meine Rede und meine Verkündigung bestand nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhe, sondern auf Gottes Kraft.
1. Korinther 2,4-5