Andacht Heute

Die Überbetonung des Ich

Habt ihr denn vergessen, dass euer Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist? Der Geist, den Gott euch gegeben hat, wohnt in euch, und ihr gehört nicht mehr euch selbst.
1. Korinther 6,19

Auf meiner Radtour vor zwei Wochen besuchte ich in Jena das Haus des Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), heute Romantikerhaus genannt. Er war der Hauptvertreter des sogenannten subjektiven Idealismus, also einer Theorie, die eine äußere, vom Bewusstsein unabhängigen Realität für nicht erkennbar hält. Fichte wurde verdächtigt, ein Atheist zu sein, was er energisch bestritt. Er hielt Gott keineswegs für nichtexistent, aber für unerkennbar (Agnostizismus). Die Fichtesche Ich-Philosophie birgt allerdings die Gefahr in sich, dass wir uns die Wirklichkeit nur aus unserer eigenen Sicht konstruieren.

Diese Überbetonung des eigenen Ich finden wir heute in vielen Formen, leider auch unter Christen. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Worte Gottes in der Heiligen Schrift ignoriert oder so umgedeutet werden, dass sie in das eigene, selbst konstruierte Weltbild passen? Aus der humanistischen Psychologie stammt der Begriff der Selbstverwirklichung, womit „die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit durch das Realisieren von Möglichkeiten, die in einem selbst angelegt sind“ (Duden) gemeint ist. Auch wenn dies heute vielfach propagiert wird, stellt es für einen gläubigen Christen einen fundamentalen Irrtum dar. Der Mensch ist kein völlig freies, sich selbst gestaltendes, von Natur aus gutes Individuum, sondern ein armer Sünder, für den Jesus am Kreuz das Lösegeld bezahlt hat. Keine Ich-Philosophie und keine Psychotherapie werden ihn je retten können. Gott existiert und ist für uns in dem Maße erkennbar, wie es für uns notwendig und ausreichend ist. Unser Körper und unser Geist sind uns nur geliehen, wir sollten sorgsam damit umgehen. Wir haben nichts aus uns selbst geschaffen. Wenn wir uns, um ein Beispiel zu nennen, eine teure Maschine ausleihen, müssen wir sorgsam damit umgehen. Dazu gehört auch, dass wir die Bedienungsanleitung lesen. Nur wenn wir die darin enthaltenen Anweisungen und Warnhinweise befolgen, werden wir aus der Benutzung einen Nutzen ziehen und den Verleiher nicht enttäuschen.

Gott hat euch als sein Eigentum erworben; denkt an den Preis, den er dafür gezahlt hat! Darum geht mit eurem Körper so um, dass es Gott Ehre macht!
1. Korinther 6,20

Gottes Hilfe gegen Ängstlichkeit

Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
2. Timotheus 1,7

    Im Brief an den jungen Timotheus scheint es, als wolle Paulus ihm zeigen, dass alle Schüchternheit und Angst überwunden werden kann, wenn man sich bewusst macht, dass sie nicht von Gott kommt. Wir alle haben unsere besonderen Ängste, sei es vor einem Publikum zu sprechen, sei es abgelehnt zu werden und so vieles mehr. Etwas klagt uns an und will unsere Persönlichkeit destabilisieren. Wenn uns so etwas begegnet, dann hilft es, sich ganz klar zu sagen: „Diese Ängste kommen jetzt nicht von Gott.“ Nicht selten steigen in uns Gedanken auf wie: „Ich werde mich vor allen Leuten blamieren.“ Schauen wir genau hin, was sich da in uns manifestieren will, und wehren wir es ab, wenn wir erkannt haben, dass es ein Lügengedanke ist, der uns nur schwächen wird. Dann können wir sagen: „Dieser Gedanke führt uns nur in die Irre, er nützt mir nichts. Er kommt nicht von Gott.“

    Dann sollen wir uns bewusst werden, wie Gott uns hilft. Er gibt uns den Geist der Kraft für unseren Dienst, wenn wir für sein Reich eintreten. Das soll uns nicht in das andere Extrem führen, nämlich mächtig, überheblich und aufgeblasen zu werden. Nein, diese Kraft ist gepaart mit Liebe und Besonnenheit, wie es Paulus hier treffend ausdrückt. Wenn wir uns daran orientieren, wie Jesus sich in seinem irdischen Leben den Menschen in Liebe zugewandt hat, dann können wir uns nicht falsch verhalten. Dieses Wissen lässt uns gelassen und strukturiert handeln.

    Lehre mich, so zu leben, wie du es willst, denn du bist mein Gott! Führe mich durch deinen guten Geist, dann kann ich ungehindert meinen Weg gehen!
    Psalm 143,10

    Schöne Aussichten

    Denk schon als junger Mensch an deinen Schöpfer, bevor die beschwerlichen Tage kommen und die Jahre näher rücken, in denen du keine Freude mehr am Leben hast.
    Prediger 12,1

    Dieser Vers könnte, wenn er nicht im Zusammenhang gelesen wird, dazu führen, dass junge Menschen Angst vor dem Alter bekommen. Wer ihn so liest, könnte zu dem Schluss kommen, dass wir uns nicht auf das freuen sollten, was uns am Ende unseres Lebens erwartet. Das mag für denjenigen zutreffen, der den einzigen Sinn seines Daseins in Vergnügen, Wohlstand und Gesundheit sieht. Das Streben nach irdischen Genüssen ist grundsätzlich nicht verkehrt. Aber dieser Lebensstil der Glücksmaximierung wird immer an Grenzen stoßen, spätestens dann, wenn der irdische Tod auf uns wartet.

    Der Autor dieses Weisheitsbuches, König Salomo, war ein Sprachrohr Gottes. Es ist nicht vorstellbar, dass es geschrieben wurde, um uns die Freuden des Daseins zu vermiesen, im Sinne von: „Jetzt freut ihr euch noch in der Jugend, aber ihr ahnt nicht, was euch im Alter erwartet!“ Es wird keine negative Weltsicht gepredigt, sondern darauf hingewiesen, dass wir in allem, was uns an Freud und Leid widerfährt, an unseren Schöpfer denken sollen. Und damit kann man nicht früh genug anfangen. Der Atheist kann nicht anders, als das Nachlassen der Lebenskräfte im Alter als Verlust zu empfinden. Der gläubige Mensch wird Gott für alle Freuden danken, die er genießen durfte und noch genießen darf. Sein besonderer Dank gilt dem, was ihn in der Ewigkeit erwartet. Dieses Eingebundensein in Gottes Schöpfungsplan bewahrt uns davor, das Leben als Abwärtsspirale zu betrachten und erfüllt jeden unserer Tage mit großer Hoffnung.