Andacht Heute

Zölibat und Bildersturm

Du sollst dir keine Götterbilder anfertigen, indem du etwas nachbildest, das sich am Himmel, auf der Erde oder im Meer befindet. Wirf dich nicht vor ihnen nieder und verehre sie nicht.
2. Mose 20,4-5

Seine dritte Invokavitpredigt begann Luther mit den Worten:

„Wir haben (in den ersten Predigten) von den Dingen die sein müssen (gehört) … Nun folgen die Dinge, die … von Gott frei gelassen sind und die man halten mag oder auch nicht. So z. B. der Zölibat, denn ein Mönch oder eine Nonne, die nicht enthaltsam leben können, die sollen sich einen Ehepartner nehmen.“

Die Aufgabe des Zölibats hatte eine tiefgreifende Bedeutung für die Reformation und die Entwicklung des Protestantismus. Er selbst heiratete drei Jahre später die Nonne Katharina von Bora. Luther argumentierte, dass die Ehelosigkeit nicht biblisch begründet sei:

„Das Entscheidende aber ist, dass im Jüngsten Gericht niemand sagen darf: Jemand hat etwas gesagt, alle haben es gemacht, und ich bin einfach der Masse nachgelaufen! Jede Entscheidung muss aus der Schrift begründet werden…Deshalb sage ich nochmals: Was Gott nicht geregelt hat, das muss frei bleiben, und es ist ein Unrecht zu regeln, was Gott nicht geregelt hat.“

Auch zum Bilderstreit nahm er Stellung. Der radikale Reformer Andreas Karlstadt hatte in Wittenberg die Kirchenmusik abgeschafft und die Heiligenbilder in der Kirche entfernen lassen. Luther wandte sich in seiner Predigt gegen den Bildersturm, also gegen die gewaltsame Zerstörung von sakralen Kunstwerken:

„Nun zu den Bildern: Die Bilder sind zwar unnötig, aber Gott hat die Entscheidung darüber den Menschen überlassen, bis auf einen Punkt: ‚Bilder dürfen nicht angebetet werden!‘
Wie kann man sagen, dass Gott die Entscheidung über die Bilder den Menschen freigestellt hat, wenn es doch im zweiten Gebot heißt: ‚Du sollst dir kein Abbild schaffen‘? Es gibt auch die Auslegung, dass damit nur gemeint ist, dass man sie nicht anbeten darf, denn auch Mose hat die eherne Schlange geschaffen, und sie wurde jahrhundertelang aufbewahrt und erst vernichtet, als Menschen begannen, sie anzubeten. So hat auch Paulus in Athen die Bildnisse der heidnischen Götter nicht zerstört, sondern sie als Anknüpfungspunkt für seine Predigt an die Athener benutzt.“


Luther erkannte später den lehrreichen Charakter von Bildern an. Er sah sie als nützliches Mittel, um biblische Geschichten und Glaubensinhalte zu vermitteln, insbesondere für Menschen, die nicht lesen konnten. In diesem Sinne verteidigte er die Verwendung von Bildern, solange sie nicht als Objekte der Anbetung dienten.

Glaube kann man nicht erzwingen

Demnach kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort.
Römer 10,17

Auf die Vorgeschichte von Luthers Invokativpredigten bin ich gestern eingegangen. Es waren, wie gesagt, acht Predigten, die er in der Marienkirche zu Wittenberg vom 9. bis zum 16. März 1522 gehalten hat. In der kürzeren Predigt am Montag beschäftigte er sich mit der Sinnlosigkeit eines erzwungenen Glaubens: „Ich kann nicht weiter an Menschen herankommen, als bis zu deren Ohr; in ihr Herz kann ich nicht kommen. Und weil ich den Glauben nicht in ihr Herz gießen kann, so kann und darf ich sie niemals zwingen oder bedrängen, denn Gott tut es alleine und ‚macht‘, dass er im Herzen (der Menschen) lebt.“ Er rechnete in dieser Predigt mit Fanatikern des Glaubens und mit Institutionen der Kirche ab, die Menschen oft zu wenig Spielraum für die individuelle Glaubensentscheidung einräumten, sondern Zwang und Manipulation einsetzten.

Für Martin Luther war der Glaube eine zutiefst persönliche Angelegenheit, die nicht durch äußeren Druck entstehen kann. Er betonte, dass der wahre Glaube aus dem Herzen kommen müsse und allein durch die Gnade Gottes und das Hören des Evangeliums geweckt werde. Zwang würde lediglich zu äußerlichem Gehorsam führen, nicht aber zu einer echten inneren Überzeugung. Luther glaubte, dass der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt wird, nicht durch Werke oder äußere Handlungen. Daher hielt er es für sinnlos, jemanden zu einem Glauben zu zwingen, den er nicht aus freiem Willen und Überzeugung annimmt. Für ihn war der Glaube ein Geschenk Gottes, das nicht erzwungen, sondern nur empfangen werden kann.

Invokavit – ein geschichtlicher Exkurs

Ruft er mich an, so will ich ihn erhören.
Psalm 91,15

Der 1. Sonntag der Passionszeit wird bei den evangelischen Christen Invokavit genannt, weil dies von der lateinischen Version „Invocabit me, et ego exaudiam eum“ kommt. Martin Luther hat vom 9. bis zum 16. März in Wittenberg seine berühmten Invokavitpredigten gehalten. Er war mit der Reichsacht belegt worden, d.h. seine Tötung war jederzeit möglich. Kurfürst Friedrich der Weise schützte ihn, indem er ihn auf die Wartburg bringen ließ. Währenddessen radikalisierten sich die reformatorischen Bewegungen in Deutschland. In Wittenberg feierte Andreas Karlstadt die Messe ohne Messgewand, in deutsch und entfernte alle Bilder aus der Kirche. Viele Gläubige überforderte dies, sie hatten nicht mehr das Gefühl einem ordentlichen Gottesdienst beizuwohnen, es kam zu Tumulten auch während der Messe. Luther kam dies zu Ohren und er entschloss sich, die Wartburg zu verlassen, um in Wittenberg die Situation wieder zu beruhigen. Ich gebe die Zusammenfassung (Wikipedia) seiner ersten Predigt wieder:

  1. Einleitung: Jeder Mensch ist am Ende seines Lebens dafür verantwortlich, dass er den Glauben richtig gelernt hat; deshalb will er nun einige Grundsätze klarmachen.
  2. Wir sind Kinder des Zorns und dürfen daher nicht auf unsere eigenen Entscheidungen und Handlungen stolz sein oder uns gar eine Belohnung von Gott erwarten.
  3. Allein der Glaube an den Sohn Gottes rettet vor der Verdammnis.
  4. „Wir müssen auch den Glauben haben und durch die Liebe einander tun, wie Gott uns durch den Glauben getan hat … Gott will keine Zuhörer oder Nachplapperer des Wortes (Gottes), sondern Nachfolger und Ausübende.“
  5. Was bedeutet 4) nun? Zwar ist mit dem Apostel Paulus „alles erlaubt, aber deshalb noch lange nicht alles förderlich“.
  6. Das Hauptstück der Argumentation: Zwar ist es dem Wort Gottes entsprechend, die (lateinische) Messe abzuschaffen, aber ist es auch sinnvoll, dies in dieser Eile zu tun? Denn:
    a) Brauchen nicht alle Menschen eine Kindheit, in der sie liebevoll von der Mutter mit weicher Nahrung aufgezogen werden? Verlangt denn eine Mutter von ihren Kindern, dass sie sofort erwachsen werden müssen? Die Wittenberger sind noch „Kinder im Glauben und schwach im Glauben“; ihnen das Gewohnte zu entziehen, wäre „lieblos“ und daher unchristlich und auch sinnlos.
    b) Hätte Luther nicht selbst längst all dies tun können? Hätte er nicht längst die lateinische Messe abschaffen etc. können? Er war schon längst soweit – aber was hätten dann jene gesagt, die nun gerade erst zu dieser Erkenntnis gelangt sind? Wären sie nicht genauso überfordert gewesen? Und hätte er dann nicht völlig alleine dagestanden? Was soll dieses überstürzte (und unbedachte) Handeln also dem Anliegen (der Reformation) helfen?

Und bezüglich der Wirkungsgeschichte heißt es in Wikipedia:

Die besondere Bedeutung der Invokavitpredigten liegt in der Ausrichtung, die Luther damit der Reformation in Deutschland gegeben hat: „Friedliche Reformation, nicht gewaltsame Revolution“.

Die Invokavitpredigten geben in den lutherischen Kirchen das Grundschema für Konfliktlösungen vor: „Überzeugen aus der Kraft des Wortes Gottes heraus, nicht durch Einsatz von Gewalt!“

Schlussendlich umstritten bleibt die Argumentation Luthers gegen Karlstadt: Dieser habe zwar an sich mit seinen Reformen recht, habe sie aber ohne Rücksichtnahme auf „die Schwachen“ in der Gemeinde zu schnell durchgeführt. Wirkungsgeschichtlich zeigt sich, dass praktisch genommen jede Reform in den lutherischen Kirchen genau mit diesem Argument endlos hinausgezögert werden kann.