Andacht Heute

Man lernt nie aus

HERR, zeige mir deine Wege und lehre mich, auf deinen Pfaden zu gehen!
Psalm 25,4

Ich höre gerne Predigten, nicht nur im Gottesdienst, sondern auch zu Hause im Internet. Dabei baue ich in mir jedes Mal eine Art gespannte Aufmerksamkeit auf. Ich bin neugierig, was der Prediger oder die Predigerin zu sagen hat. Was wird Neues auf mich zukommen? Es gibt kaum eine Predigt, die nichts Nachdenkenswertes enthält. Ich mache allerdings auch keinen Hehl daraus, dass ich kein Freund von überlangen und schlecht strukturierten Predigten bin. Wenn jemand immer wieder die gleichen Gedanken umwälzt und einfach kein Ende findet, dann halte ich das für eine Zumutung den Hörern gegenüber.

Natürlich frage ich mich nach einer Predigt, was für mich besonders wichtig war, was zum Weiterdenken anregt und auch, was eher befremdlich war. Letzteres ist oft am interessantesten, weil die Fragen, die sich daraus ergeben, auch eigene Denkblockaden aufdecken können. Warum verstehe ich diesen Gedanken nicht, warum erscheint er mir so sperrig? Gut, wenn diese Selbstreflexion schon während der Predigt einsetzt, noch besser, wenn sich die Gelegenheit ergibt, den Prediger danach darauf anzusprechen. Aber meistens dauert dieser geistige Gärungsprozess bei mir länger. Zum Glück habe ich eine Frau, mit der ich solche Irritationen besprechen kann. Dieser Austausch, der auch mit anderen Glaubensgeschwistern stattfinden kann, ist fast immer anregend und fruchtbar.

Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich, denn du bist der Gott meines Heils; auf dich harre ich allezeit.
Psalm 25,5

Das Märchen vom guten Menschen

So steht es in Gottes Gesetz, und wir wissen: Das Gesetz gilt gerade für die, denen es gegeben wurde. Deshalb kann sich keiner herausreden. Alle Menschen auf der Welt sind vor Gott schuldig.
Römer 3,19

Ich habe mich gefragt, woher die Überzeugung kommt, dass der Mensch doch grundsätzlich gut und keinesfalls ein Sünder ist. Das hat uns kürzlich ein offensichtlicher Atheist vor einem Supermarkt klarmachen wollen. Dieses Denken, dass es nur eine christliche Einschüchterungstaktik sei, jedem einreden zu wollen, dass er ein Sünder sei, ist heute weit verbreitet. Es war nicht überraschend, dass ich auf der Suche nach seinem Ursprung in der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts fündig wurde. Und da waren es Engländer wie Shaftesbury, Hutcheson, Hume und A . Smith, die entscheidende Impulse gaben. Sie wandten sich vom traditionellen Tugend-Laster-Gegensatz ab und vertraten eine monistische Ethik. Menschliches Verhalten bewege sich nicht zwischen Gut und Böse, sondern es gebe nur das Gute. Alle Laster seien nur Deformationen des Guten. Außerdem hätten wir es mit einem absolut wohlwollenden Schöpfer zu tun, der bei all unseren Taten ein Auge zudrückt.

Solche Überlegungen werden beim Studium der Bibel als Wunschdenken entlarvt. Es ist verführerisch, von einem Gott zu träumen, der uns alles durchgehen lässt. Aber nicht nur das: Es wäre schrecklich, wenn unser Verhalten nur von unserem eigenen Egoismus geleitet würde und keiner Moral unterworfen wäre, die von Gott kommt. In der Geschichte der Menschheit hat es solche Despoten gegeben, und wir wissen nur zu gut, welches Ende das jedes Mal genommen hat.

Denn alles, was in der Schrift steht, ist von Gottes Geist eingegeben, und dementsprechend groß ist auch der Nutzen der Schrift: Sie unterrichtet in der Wahrheit, deckt Schuld auf, bringt auf den richtigen Weg und erzieht zu einem Leben nach Gottes Willen.
2. Timotheus 3,16

    Eine zeitlose Lehre

    Bist du neidisch, weil ich so großzügig bin? So werden die Letzten die Ersten sein.
    Matthäus 20,15-16

    Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg ist – wie man gerne sagt – vielschichtig. Wieviele Deutungsmöglichkeiten hat es dafür wohl schon gegeben? Der Inhalt wird in Wikipedia so beschrieben:

    „In dem Gleichnis wird das Reich Gottes mit einem Hausherrn verglichen, der am Morgen Arbeiter einstellt, damit sie seinen Weinberg bestellen. Er vereinbart mit ihnen einen Tageslohn von einem Denar. Der Weinbergbesitzer geht nach jeweils drei Stunden weitere drei Mal und zum Schluss nach elf Stunden letztmals auf den Marktplatz, um Arbeiter einzustellen. Am Ende des Arbeitstages nach zwölf Stunden bezahlt er zuerst den zuletzt Eingestellten, die nur eine Stunde gearbeitet haben, einen Denar. Auch alle anderen erhalten diesen Lohn. Die Arbeiter, die den ganzen Tag gearbeitet haben, beschweren sich darüber beim Hausherrn. Sie fordern mehr Lohn, weil sie mehr gearbeitet haben. Der Hausherr weist die Kritik aber zurück, indem er die verärgerten Arbeiter daran erinnert, dass sie mit ihm doch zuvor über die Bezahlung eines Denars übereingekommen waren und zudem sei sein Maßstab für die Gerechtigkeit seine Güte.“

    Es ist nicht verkehrt, diesen Wikipedia-Artikel vollständig zu lesen und sich mit den im Anschluss an diesen Absatz folgenden (allgemeinen, alttestamentlichen, sozialgeschichtlichen, allegorischen, religionspsychologischen und sozialpsychologischen) Deutungen auseinanderzusetzen. Letztlich ist aber zu bedenken, dass die Gleichnisse nicht in der Bibel stehen, um religionstheoretische Diskussionen auszulösen und sich in Diskursen zu verlieren. Diese einfachen, lehrreichen Geschichten, in denen oft komplexe Zusammenhänge vermittelt werden, sollen jeden von uns zum Nachdenken anregen, z.B. wie wir mit Neid umgehen und mit denen, die erst spät zum Glauben gekommen sind. Wir sollten froh sein, dass wir vom HERRN so gut versorgt werden. Gönnen wir es auch allen anderen und nehmen wir uns ein Beispiel an seiner Großzügigkeit.

    Gebt bereitwillig und seid dabei nicht missmutig! Dann wird der HERR, euer Gott, euch segnen bei allem, was ihr unternehmt.
    5. Mose 15,9