Andacht Heute

Weitere Schwachstellen

Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach.
1. Korinther 13,5

Im gestrigen Vers (13,4) ging es um Geduld und Freundlichkeit als Kennzeichen der Liebe und um die Vermeidung von Neid und Prahlerei. Heute sind es weitere vier Merkmale, an denen wir erkennen können, wenn es uns an Liebe fehlt. Es beginnt mit unserem Benehmen, mit der Höflichkeit gegenüber anderen. Es gibt fast täglich Gelegenheiten, sich hierin zu üben. Beispiele: Einem, der sich nur schwer ausdrücken kann, geduldig zuhören und ihm nicht ins Wort fallen. An der Supermarktkasse jemanden vorlassen, der es offensichtlich eilig hat. Bei Verabredungen pünktlich sein und andere nicht warten lassen. Es gäbe noch viele weitere Beispiele, ein weites Übungsfeld und kaum jemand hat hier nicht seine Schwächen.

Ein Hindernis für gutes Benehmen ist auch die Versuchung, den eigenen Vorteil ausspielen zu wollen. Als Verkäufer einer Sache liegt es oft nahe, einen Nachteil zu vertuschen und zu verschleiern. Das ist aber weder fair, schon gar nicht hat es etwas mit liebevollem Verhalten zu tun, auch wenn es im Geschäftsleben üblich ist. Wer in Auseinandersetzungen häufig die Beherrschung verliert, kann sich nicht auf sein Temperament herausreden. Er hat damit vielleicht kurzfristige Erfolge erzielt, weil er andere einschüchtern konnte, aber Zorn und Wut sind das Gegenteil von liebevollem Verhalten. Gerade als Christ hat man auch eine Vorbildfunktion und sollte sich hier zurücknehmen. Ich gebe zu, das ist nicht immer leicht. Ein weiteres großes Hindernis für die Liebe ist die Neigung, nachtragend und verbittert zu sein. Auch hier ist es schwer, sein Verhalten zu ändern, vor allem, wenn man unsere Würde verletzt hat, unser Vertrauen missbraucht wurde und wir uns ungerecht behandelt fühlen.

Ein großes Problemfeld tut sich auch im zweiten Vers des Korintherbriefes über die Liebe auf. Niemand kann von sich behaupten, hier alles im Griff zu haben. Umso mehr brauchen wir Gottes Beistand. Im Gebet können wir darum bitten, dass unsere Schwächen in liebevolles Verhalten umgewandelt werden.

Wascht euch, reinigt euch! Schafft mir eure bösen Taten aus den Augen, hört auf, Böses zu tun!
Jesaja 1,16

Wo bleibt die Liebe?

Liebe hat Geduld. Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid. Sie macht sich nicht wichtig und bläst sich nicht auf.
1. Korinther 13,4

Das Hohelied der Liebe beschreibt in vier Versen (1. Korinther 13,4-7), was Liebe ist und was sie nicht ist. Allein dieser erste Vers zeigt in erschütternder Weise, wie weit wir im Alltag oft vom Idealzustand entfernt sind. Wie oft fehlt mir da die nötige Geduld! Wenn ich im Supermarkt in der Schlange an der Kasse stehe und ein noch älterer Mann wie ich umständlich in seinem Portemonnaie nach Kleingeld sucht, vielleicht noch einen Scherz mit der jungen Dame an der Kasse machen will und es sogar zu genießen scheint, dass alle hinter ihm schon eine grimmige Miene gezogen haben. Wenn ich mit dem Auto einen Vordermann nicht überholen kann, der scheinbar genüsslich die vorbeiziehende Landschaft betrachtet. Ich könnte noch viele Situationen aufzählen, in denen mir die Geduld fehlt und damit auch die Liebe, wie Paulus es hier ausdrückt. Er sagt auch, dass die Liebe freundlich ist. Bin ich das immer? Ganz und gar nicht! Wie oft fehlen mir lobende Worte, die das Zusammenleben verbessern könnten?

Der Neid nimmt im Laufe des Lebens ab, das meine ich jedenfalls, bei mir feststellen zu können. Gerade die materiellen Güter sind ausreichend vorhanden, und es ist nicht mehr weit hin bis zu dem Punkt, an dem wir hier alles zurücklassen müssen. Trotzdem kommt eine abgeschwächte Form von Neid zum Vorschein, wenn ich sehe, wie leicht sich junge Menschen mit Dingen tun, die mir inzwischen schwer fallen. Aber schließlich haben wir ältere Semester ihnen unsere Lebenserfahrung voraus, was allerdings von den Jungen nicht selten als typische Wichtigtuerei der Gruftis gewertet wird.

Wenn ich weiter mein Alltagsleben kritisch betrachte, dann bin ich nicht mehr weit entfernt von einem eher beschämenden Fazit, was meine Liebesfähigkeit betrifft. Bin ich ein hoffnungsloser Fall? Trotzdem will ich morgen mit dem zweiten Liebesvers weitermachen. Inzwischen klammere ich mich an die Hoffnung, dass Jesus gerade für uns Sünder in die Welt gekommen ist und uns einen Weg aus unserer Liebesunfähigkeit gezeigt hat.

Erforsche mich, Gott, und erkenne, was in meinem Herzen vor sich geht; prüfe mich und erkenne meine Gedanken!
Sieh, ob ich einen Weg eingeschlagen habe, der mich von dir wegführen würde, und leite mich auf dem Weg, der ewig Bestand hat!

Psalm 139,23-24

Man lernt nie aus

HERR, zeige mir deine Wege und lehre mich, auf deinen Pfaden zu gehen!
Psalm 25,4

Ich höre gerne Predigten, nicht nur im Gottesdienst, sondern auch zu Hause im Internet. Dabei baue ich in mir jedes Mal eine Art gespannte Aufmerksamkeit auf. Ich bin neugierig, was der Prediger oder die Predigerin zu sagen hat. Was wird Neues auf mich zukommen? Es gibt kaum eine Predigt, die nichts Nachdenkenswertes enthält. Ich mache allerdings auch keinen Hehl daraus, dass ich kein Freund von überlangen und schlecht strukturierten Predigten bin. Wenn jemand immer wieder die gleichen Gedanken umwälzt und einfach kein Ende findet, dann halte ich das für eine Zumutung den Hörern gegenüber.

Natürlich frage ich mich nach einer Predigt, was für mich besonders wichtig war, was zum Weiterdenken anregt und auch, was eher befremdlich war. Letzteres ist oft am interessantesten, weil die Fragen, die sich daraus ergeben, auch eigene Denkblockaden aufdecken können. Warum verstehe ich diesen Gedanken nicht, warum erscheint er mir so sperrig? Gut, wenn diese Selbstreflexion schon während der Predigt einsetzt, noch besser, wenn sich die Gelegenheit ergibt, den Prediger danach darauf anzusprechen. Aber meistens dauert dieser geistige Gärungsprozess bei mir länger. Zum Glück habe ich eine Frau, mit der ich solche Irritationen besprechen kann. Dieser Austausch, der auch mit anderen Glaubensgeschwistern stattfinden kann, ist fast immer anregend und fruchtbar.

Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich, denn du bist der Gott meines Heils; auf dich harre ich allezeit.
Psalm 25,5