Andacht Heute

Selbstüberschätzung macht blind

Wehe denen, die in ihren eigenen Augen weise sind und die sich selbst für verständig halten!
Jesaja 5,21

Wenn wir ehrlich sind, kennen wir alle Situationen, in denen wir zunächst dachten: „Ich weiß es besser“ – und dann doch eines Besseren belehrt wurden. Wie oft sind wir schon zu Fehleinschätzungen gekommen, die wir anschließend korrigieren mussten?

Eine der größten Fehlerquellen in unserem Denken ist das „Schwarzweißdenken“. Damit reduzieren wir komplexe Sachverhalte auf einfache Gegensätze und erkennen die Vielschichtigkeit von Situationen und Menschen nicht. Da wird nach Lust und Laune in „gut” und „böse”, in „richtig” und „falsch” eingeteilt. Dadurch verlieren wir die Wahrnehmung für alle Zwischentöne und Nuancen. Wenn wir das auf andere Menschen beziehen, dann ist jemand nicht gleich entweder unser Freund oder unser Feind. Lassen wir uns lieber überraschen und gestehen wir ihm zu, dass er, wie jeder andere auch, Stärken und Schwächen hat. So bleiben wir offen für neue Sachverhalte, sind lernfähig und bereit für Versöhnung.

Üben wir uns in Demut! Weisheit beginnt mit der Erkenntnis der eigenen Begrenztheit. Wer sich bewusst macht, dass menschliches Wissen Stückwerk bleibt, schafft Raum für die Weisheit Gottes.

Spendenaufrufe vor Weihnachten

Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und betete bei sich selbst so: O Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner da. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme!
Und der Zöllner stand von ferne, wagte nicht einmal seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug an seine Brust und sprach: O Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt in sein Haus hinab, im Gegensatz zu jenem. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Lukas 18,10-14

Diese Geschichte zeigt, dass es auf Demut ankommt. Der von vielen verachtete Zöllner zeigt sie im Gegensatz zum Pharisäer, der sich so gut vorkommt und dies nach außen hin darstellen will. Jesus steht auf der Seite des armen Sünders, der sich seiner Abhängigkeit von der Gnade bewusst ist.

Wir stehen kurz vor Weihnachten, dem „Fest der Liebe“, wie es gerne genannt wird. Es wird gerne auch als letzte große Möglichkeit im Jahr genutzt, um an unsere Spendenbereitschaft zu appellieren. Dies geschieht im kalkulierten Wissen, dass sich viele davon beeinflussen lassen, da sie der irrigen Annahme sind, sich durch Spenden als braver Christ hervortun zu können. Doch Jesus warnt vor jeder Form von Selbsterhöhung.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr die Minze und den Anis und den Kümmel verzehntet und das Wichtigere im Gesetz vernachlässigt, nämlich das Recht und das Erbarmen und den Glauben! Dieses sollte man tun und jenes nicht lassen.
Matthäus 23,23

Dogmen oder Grundeinstellungen

Prüft alles, das Gute behaltet.
1. Thessalonicher 5,21

    Dieser Vers ist die evangelische Jahreslosung 2025. Er verbindet das kritische Prüfen und das standhafte Bewahren auf sehr schöne Weise. Das Gute und Tragfähige darf bleiben, blindes Festhalten an Dogmen ist jedoch zu vermeiden.

    Dogmen sind vor allem aus der katholischen Kirche bekannt. Sie werden von ihr klar definiert und sind für alle Gläubigen verbindlich. Ein Beispiel ist die „Unfehlbarkeit des Papstes“ (1870). Der Begriff „persönliche Dogmen” wird auch verwendet, um deutlich zu machen, dass jemand eine Überzeugung hat, die für ihn nicht verhandelbar ist. Daneben gibt es den Begriff „persönliche Grundeinstellungen”. Der Unterschied liegt im Grad der Festigkeit. Während Dogmen absolut und nicht zur Diskussion stehen, beschreiben Grundeinstellungen eine Haltung oder Orientierung, die zwar prägend ist, aber auch in einem gewissen Rahmen offen für Reflexion und Veränderung ist.

    Ich halte es für richtig und notwendig, seine Selbstwahrnehmung in Bezug auf verinnerlichte Dogmen zu richten. Wenn sich beispielsweise auffallend viele Wörter wie „müssen”, „immer” („Ich muss immer stark sein”), „nie” („Ich darf niemals Fehler machen”) oder „nur” („Nur wer etwas leistet, hat einen Wert in der Gesellschaft”) in meinem Vokabular finden. Es lohnt sich, diese in Grundeinstellungen umzuwandeln: „Stärke zeigt sich auch darin, Schwäche zuzulassen“, „Fehler sind Lernchancen und gehören zum Leben“ oder „Leistung ist nur ein Teil meines Wertes“.

    Wenn ich sage: „Glaube bedeutet, niemals zu zweifeln“, dann ist das ein Dogma. Wenn ich hingegen sage: „Ich nehme den Zweifel ernst, denn er kann meinen Glauben vertiefen“, dann ermöglicht mir das eine Grundeinstellung, die Fragen zulässt und zur geistigen Offenheit ermutigt.