Andacht Heute

Wenn wir uns entscheiden müssen

Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen Verstand; sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen.
Sprüche 3,5-6

Als Mensch muss man ständig Entscheidungen treffen. Das zeigt sich an den unterschiedlichsten Fragen, zum Beispiel: Gehe ich jetzt einkaufen oder später? Welchen Beruf sollte ich ergreifen? Mit wem will ich eine Partnerschaft eingehen? Engagiere ich mich aktiv in meiner Kirche oder bleibe ich passiv? Richte ich mein Handeln nach biblischen Werten aus?

In der Psychologie wird unterschieden zwischen verschiedene Entscheidungstypen. Da gibt es

  • den rational-analytischen Typ – er wägt Argumente und Folgen ab, sucht nach logischer Konsistenz,
  • den intuitiven Typ – er entscheidet aus dem Bauch heraus, vertraut auf spontane Eingebungen,
  • den normativen Typ – er orientiert sich stark an Regeln, Traditionen oder Autoritäten,
  • den emotionalen Typ – er lässt Gefühle und Stimmungen den Ausschlag geben,
  • den situations- oder opportunitätsorientierte Typ – er entscheidet pragmatisch nach dem, was gerade passt oder möglich ist.

Die Psychologie macht deutlich, wie viele Faktoren unser Verhalten beeinflussen. Als Christen können wir daraus lernen, unsere eigene Entscheidungsfindung zu verstehen. Wer sich leicht von Emotionen leiten lässt, sollte versuchen, Fakten stärker einzubeziehen – dies gilt auch umgekehrt. Wir benötigen auch die geistliche Unterscheidung, um Gottes Stimme von bloßen Impulsen zu unterscheiden. Dazu kann man auch den Rat anderer Christen einholen, denn Gemeinschaft hilft, einseitige Entscheidungstypen auszugleichen. Im Gebet erfahren wir große Hilfe, denn allein durch das Formulieren unserer Gedanken und Gefühle tragen wir sie bewusst vor Gott und werden offen für seine Fingerzeige.

Wenn Appelle uns antreiben

Friedemann Schulz von Thun hat ein Kommunikationsmodell entwickelt, in dem er beschreibt, wie wir eine Nachricht aufnehmen. In diesem Sinne können wir den Vers aus Galater mit unterschiedlichen „Ohren” vernehmen:

  • Sach-Ohr: Paulus beschreibt ein Prinzip des christlichen Lebens in Gemeinschaft, nach dem Lasten gemeinsam getragen werden.
  • Beziehungs-Ohr: Gott bzw. Paulus erklärt mir, dass dieses gegenseitige Unterstützen ein Ausdruck von Nähe und Solidarität ist.
  • Mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr hören wir aus dem Satz von Paulus etwas über seine persönliche Überzeugung, die er selbst erlebt hat.
  • Appellohr: Darin steckt die Aufforderung zur tätigen Nächstenliebe.

Wenn ich die Bibel immer nur mit dem Appellohr lese, begebe ich mich in die Gefahr der Überforderung. Dann sage ich mir in diesem Beispiel: „Ich muss immer helfen, sonst erfülle ich das Gesetz Christi nicht.“ Damit wird dieser Vers zu einer moralischen Last, der ich nicht immer genügen kann, was mich letztlich enttäuscht zurücklässt. Versuchen wir stattdessen, den Vers so zu betrachten, wie er wirklich ist, d. h. mit allen vier Ohren.

Sachlich: Eine christliche Gemeinschaft funktioniert durch gegenseitige Unterstützung.
Beziehung: Im Miteinander bin ich bin getragen und darf andere tragen.
Selbstoffenbarung: Paulus spricht aus dieser gelebten Erfahrung.
Appell: Auch ein Impuls zur Hilfsbereitschaft geht davon aus.

Wenn wir die Bibel nicht allein mit einem Ohr lesen und darin nicht nur Aufforderungen an uns wahrnehmen, werden wir uns nicht so leicht getrieben fühlen. Schließlich ist lange nicht jeder Satz der Heiligen Schrift mit einem Ausrufezeichen versehen, der uns zum Handeln drängt. Lassen wir uns nicht von uns selbst oder anderen unter Druck setzen, nur weil wir auf Appelle so stark reagieren.

Moralisierende Besserwisserei

Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.
Lukas 14,11

Sicher hat jeder schon einmal die Erfahrung gemacht, dass er bei einer gesellschaftlichen Streitfrage auf zähen Widerstand gestoßen ist, der offensichtlich von großer moralischer Selbsterhöhung geprägt war. Ohne es ausgesprochen zu haben, schien die Person zu denken: „Ich mache es richtig, die anderen irren sich.“ Doch wer sich selbst zum Maßstab setzt, schließt andere Perspektiven aus und verhindert den Dialog. Wer ständig andere Meinungen als „falsch“ abstempelt, verliert Vertrauen und Nähe und gerät in soziale Isolation. Beziehungen leben von gegenseitiger Anerkennung, nicht von moralischer Überlegenheit. Außerdem ist jemand, der glaubt, dass sein Standpunkt der einzig richtige ist, weniger offen für Lernen und Veränderung. Menschen entwickeln sich durch Irrtum und Korrektur.

Dabei gibt es in vielen Lebensbereichen nicht nur einen „richtigen“ Weg, sondern mehrere gute Möglichkeiten. Wer andere moralisch verurteilt, übersieht leicht die eigenen Schwächen. Jesus’ Wort „Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“ (Mt 7,3) sollte uns zu denken geben. Das Eingeständnis der eigenen Fehlerhaftigkeit tut jedem Dialog gut.