Tugend – Aufgabe oder Geschenk?
Bemüht euch deshalb nach Kräften, dass zu eurem Glauben das richtige Verhalten kommt. Zum richtigen Verhalten soll die Erkenntnis kommen, zur Erkenntnis die Selbstbeherrschung, zur Selbstbeherrschung die Standhaftigkeit, zur Standhaftigkeit die Ausübung des Glaubens, zur Ausübung des Glaubens die geschwisterliche Liebe und zur geschwisterlichen Liebe die Liebe überhaupt.
2. Petrus 1,5-7
Für den Erklärtext der Tageslosung von heute wurde die Übersetzung der BasisBibel verwendet. Das ist bei den Herrnhutern eher selten der Fall, meist wird die Lutherbibel in der Fassung von 2017 herangezogen. Die BasisBibel ist eine junge, moderne Übersetzung, die seit 2021 vollständig vorliegt. Sie wurde von der Deutschen Bibelgesellschaft legitimiert und von der EKD ergänzend empfohlen.
Leider führt diese Übersetzung beim heutigen Bibeltext in eine völlig falsche Richtung. Das beginnt schon damit, dass der Ausdruck „das richtige Verhalten“ das klassische Wort „Tugend“ ersetzt. Wenn die Tugend, wie hier, so stark als menschliche Leistung betont wird, droht eine Verschiebung hin zur Selbstrechtfertigung. Die Tugend ist jedoch nicht der Weg zur Gnade, sondern die Frucht der Gnade. Im Kontext des Petrusbriefs wird deutlich, dass die Tugend keine Voraussetzung für Gottes Gnade ist, sondern der Ausdruck bereits empfangener Gnade. Bei Paulus heißt dies: Was hast du, das du nicht empfangen hast? (1. Korinther 4,7)